Manchmal ist eine Zigarre vielleicht wirklich nichts weiter als eine Zigarre. Im Reich der Kunst aber bleiben die Dinge niemals das, was sie einmal waren. Auf diesem Terrain wird alles zum Symbol, hier gelten notwendigerweise andere Gesetze. Ist beispielsweise, so könnte man fragen, die Wahrnehmung erotischer Momente in den Werken der Kunst zwingend an das Auftreten erotischer Motive oder Themen gebunden? Kann Erotik nicht auch unabhängig von eindeutigen Sujets und sogar entgegen der Intention des Künstlers sichtbar werden? Wie verhält sich überhaupt das Erotische zum Sexuellen? Vielleicht könnte man es so versuchen: Wenn die physische Komponente, also die triebhaft-affektiven Erlebnisse der Geschlechter untereinander sich mit dem Begriff der Sexualität verbinden, dann wäre unter Erotik möglicherweise das zu verstehen, was an Sinnlichem seine Umsetzung und Auflösung im Psychisch-Geistigen findet. Oder anders ausgedrückt: „Erotik korrespondiert mit dem Geschlechtstrieb wie der Appetit mit dem Nahrungstrieb. … Sie orientiert über das Ausmaß an Freiheit, das sich jemand kultiviert hat, d.h. über die Art seiner Souveränität (Geistigkeit) gegenüber den triebhaft-affektiven Erlebnissen.“
(A. Mergen)

Zu der Kunst von Ernst Stark wäre nun noch zu fragen, ob sich das Erotische mehr durch das Thema oder eher durch eine spezifische erotische Wirkungsweise bestimmen lässt. Sicher ist vorerst nur, dass die Dinge eben nicht das sind, was sie dem flüchtigen Blick vorgeben zu sein. Jedem seine eigene Werkstatt: So wie Puskov in einem Gedicht von Daniil Charms die Frau als Werkbank der Liebe deutet, so ist umgekehrt auch ein von Ernst Stark geschnitztes Werkzeug nicht unschuldig und keineswegs darauf beschränkt, nur das zu bleiben, was es einmal war. Oft als „Tretroller” missbraucht, ist beispielsweise das eigentliche Faszinosum an einem Hubwagen für Profis und Laien nicht seine bewährte Funktionalität, sondern die Hydraulikpumpe, die durch die charakteristische Auf- und Abbewegung mit dem Lenkgriff, der eben auch ein Hebel ist, betätigt werden muss.

Ganz anders dagegen der Charme des nüch­ternen Winkeleisens. Es dient bekanntlich zum An- und Aufreißen und ist zunächst ein reines Prüfwerkzeug zur Kontrolle der Rechtwinkligkeit. Und rechtwinklig, meinte Nietzsches Zarathustra, sollten wir alle gebaut sein, rechtwinklig an Leib und Seele.

Die Schraubenschlüssel, die Ernst Stark schnitzt, sind ausschließlich für den Handbe­trieb gedacht. Auf den meisten Schüsseln steht „STARK“ oder „ERNST“, damit man weiß, was zu wem gehört, und am Ende nichts abhanden kommt. Denn es gibt bekanntlich nichts Ärgerlicheres, als dass im entscheidenden Moment der passende Schlüssel fehlt. Auf einem dieser fragilen „Werkzeuge“ aber ist „HARRIS“ zu lesen, auf einem anderen „SEX“. Die Schlüsselweite ist als Zahl auf der jeweiligen Seite des Schlüssels aufgeprägt, denn der Schlüssel muss schließlich zur Schraube passen wie der Topf zum Deckel. In dem Fläschchen mit langer, spitzer Kanüle kommen in jener Welt, die Ernst Stark zum Vorbild dient, in der Regel feinste Schmierstoffe zur Anwendung, Weiß- und Waffenöl in medizinischer Qualität oder Möbel­polituren, die nicht verharzen oder ranzig werden dürfen, etwa Paraffinum liquidum, das sehr hohen Anforderungen an Reinheit und Verträglichkeit genügen muss und farblos, geruchs- und geschmacksfrei sein sollte.

„Eine Schraubzwinge ist ein Spannmittel zum Fixieren mehrerer Körper zueinander“, sagt das Lexikon. Und tatsächlich könnte man die vor­geblich technische Beschreibung ohne Hintersinn in diesem Kontext wie eine Handlungsanweisung für einen komplizierten sexuellen Akt lesen: „Das einzuspannende Stück wird zunächst am festen Spannarm angelegt und durch Verschieben des beweglichen Spannarms grob fixiert. Die Feineinstellung und das Anpressen mit hoher Kraft erfolgt durch eine Gewindespindel … Die Spindel wird über einen Handgriff oder zur Erhöhung der Drehkraft über einen Knebel gedreht. Die Länge der Spannarme bestimmt die Spanntiefe.“

Die Monierzange (frz. tenaille russe) bildet farblich eine Familie mit dem großen Maulschlüssel, dem Ölfläschchen und dem Reißeisen. Sie ist ein Werkzeug, das überwiegend zum Verdrillen und Abtrennen von Drähten benutzt wird. Ihrem Erfinder, dem Gärtner Joseph Monier, hat sie die Arbeit an der Werkbank sehr erleichtert.

Andreas Bee

Ohne Titel, Jorge, 1999Eichenholz, Holzbeize27,8 × 16,2 × 0,5 cm
Ohne Titel, Norbert, 1999Eichenholz, Holzbeize20 × 5 × 2,5 cm
Ohne Titel, 1999Eichenholz, Holzbeize13,2 × 5,3 × 1,5 cm
Ohne Titel, 1999Eichenholz21,5 × 14 × 0,5 cm
Tisch mit Werkzeugen, 1998Bleistift24,3 × 16,7 cm
Ohne Titel, 1999Eichenholz, Holzbeize13,2 × 5,3 × 1,5 cm
ICH BRING DICH UM, 1999Bleistift, Aquarellfarbe24,3 × 16,7 cm
Ohne Titel, 1999Eichenholz, Holzbeize143 × 43 × 123,5 cm